Nibelungenstraße

1953 benannt. Verbindung von der Herrenriedstraße zur Lustenauer Straße. „Hauptachse” des Gebietes „Unter der Bahn ”.

Hohenems spielt für das bekannteste Heldenlied der deutschen Literatur, das den Namen jenes  sagenhaften nordischen Königs Nibelung trägt, eine sehr bedeutende Rolle. Es wurden nämlich zwei der drei bekanntesten Handschriften dieser Heldenerzählung, die einzigartig in der deutschen Literatur dasteht, in Hohenems gefunden.

Die Nibelungen spielen allerdings in diesem „Lied“ eine völlig unbedeutende Rolle. Siegfried, der strahlende Held, hatte den sagenumwobenen Schatz des Königs Nibelung in seinen Besitz gebracht, sodass auch er und seine Mannen verschiedentlich als „Nibelungen“ bezeichnet werden.

Das Nibelungenlied, das um 1200 in der überlieferten Form abgefasst wurde, erzählt in über 9000 Verszeilen die bekannte Geschichte von Siegfried, seinen Taten, womit er die Burgunder-Prinzessin Kriemhild erringt, seine Ermordung und die Rache an den Mördern. Dieses dramatische Geschehen bezieht einige wenige historische Begebenheiten mit ein, bringt aber im wesentlichen vier Sagenkreise aus der Völkerwanderungszeit in eine Einheit.

Das Nibelungenlied in der mittelhochdeutschen Fassung war lange Zeit verschollen beziehungsweise den literarisch Interessierten unbekannt. Erst im 18. Jahrhundert begann sich das Interesse für diese Altertümer zu regen. Der Zürcher Johann Jakob Bodmer galt lange Zeit als der Entdecker des Nibelungenliedes, wozu er selbst am meisten beigetragen hat. Er war aber nur der „Anstifter“ für den eigentlichen Entdecker, Jakob Hermann Obereit aus Lindau. Nach vergeblichen Versuchen anderer Personen gelang ihm am 29. Juni 1755 im Palast in Hohenems der große Fund, den er bald an Bodmer weiterleitete. Mit der von Bodmer besorgten Veröffentlichung, wobei er den eigentlichen Entdecker verschwieg, war das Nibelungenlied wiederentdeckt. Diese Handschrift wurde später von den Wissenschaftern mit C bezeichnet. Aber damit nicht genug! Als Bodmer im Jahr 1779 ein zweites Mal Einblick in diese Handschrift nehmen wollte, schickte man ihm irrtümlicherweise eine andere Handschrift. Bodmer bemerkte natürlich diesen Irrtum, er hielt die heute mit „A“ bezeichnete Handschrift in seinen Händen. Die dritte der „großen“ Handschriften des Nibelungenliedes wurde in Sankt Gallen entdeckt.

Nicht nur, dass wir den Verfasser des Nibelungenliedes nicht kennen, wir wissen auch nicht, wie diese Handschriften nach Hohenems gekommen sind. Jedenfalls gibt es keinerlei Beweis dafür, dass ihre Abfassung irgend etwas mit Hohenems zu tun hat. Aber es ist doch sehr wahrscheinlich, dass die beiden „Hohenemser“ Handschriften sich schon in der „Bibliotheca Emsiana“, die von den Grafen Jakob Hannibal und Kaspar mit viel Mühe und Kunstverstand eingerichtet wurde, befunden haben. Leider sind mit der Auflösung des Grafenhauses diese Handschriften 1803 nach Bistrau gelangt, von wo sie aus vordergründigen finanziellen Motiven weiterveräußert wurden, sodass diese Handschriften nach den heutigen Aufbewahrungsorten „Münchner“ (A) und „Donaueschinger“ (C) genannt werden.

Die Hohenemser sind sich in der jüngsten Vergangenheit ihrer besonderen Beziehung zum Nibelungenlied durchaus bewusst geworden. Richard Benzer hat im Jahr 1951 das Hohenemser Heimatspiel „Kriemhild“ verfasst, das in zwei Serien unter großer Mitwirkung der Bevölkerung mehrere sehr erfolgreiche Aufführungen erlebte. Auch die 200-jährige Wiederkehr der zwei Auffindungsjahre war Anlass für entsprechende Festlichkeiten, wobei die Schwerpunkte im Jahr 1979 auf einer großen Ausstellung, einem wissenschaftlichen Symposion und mehreren Vorträgen lagen.

Die Nibelungenstraße teilt das Gebiet „Unter der Bahn“ in westöstlicher Richtung und stellt damit die wesentlichste Verbindung in diesem planmäßig auf geteilten Gebiet dar. Da in unmittelbarer Nähe die Rudolf-von-Ems-Straße die Bahn unterführt, ist die gerade Verbindung von der Bahnhofstraße zur Nibelungenstraße unterbrochen worden, sodass die Nibelungenstraße vom Durchzugsverkehr verschont geblieben ist. Obwohl die Gemeinde schon im Jahr 1954 Teile der Nibelungenstraße ins Gemeindestraßennetz übernommen hat, dauerte die Fertigstellung des gesamten Straßenzuges bis zum Jahr 1980.

Norbert Häfele, 1984

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