1984 benannt. Verbindung von der Diepoldsauer Straße zur Gutenbergstraße.
Dr. Georg Joachim Rhetikus 1514 – 1574
Unter den Gelehrten Vorarlbergs am Beginn der Neuzeit ist Rhetikus wohl an erster Stelle zu nennen. Mit berühmten Forschern seiner Zeit befreundet, trug er wesentlich zur Verbreitung ihrer teils bahnbrechenden Ideen bei. So spricht ihm die Geschichte das Verdienst zu, aufgrund seines Einsatzes den Fortschritt in der Erkenntnis der Naturwissenschaften wesentlich beschleunigt zu haben.
Rhetikus wurde am 16. Februar 1514 in Feldkirch geboren. Sein Vater, der Stadtarzt Dr. Georg Iserin, wurde der Hexerei bezichtigt und deswegen enthauptet. Georg Joachim besuchte zunächst die Lateinschule seiner Vaterstadt, dann die Frauenmünsterschule in Zürich. Nach deren Abschluss ergriff er die Gelegenheit, an der damals sehr berühmten Universität Wittenberg zu studieren. Philipp Melanchthon empfahl ihm das Mathematikstudium. Bereits mit 22 Jahren wurde er zum Doktor der Philosophie promoviert und erhielt an der dortigen Universität einen Lehrstuhl für Mathematik und Astronomie. Nach Gepflogenheit der Humanisten wählte er einen Künstlernamen; er entschied sich für „Rhaeticus“ und gab damit einen Hinweis auf seine Herkunft.
Nach Studienreisen zu namhaften Astronomen in Nürnberg, Ingolstadt und Tübingen besuchte er Nikolaus Kopernikus in Frauenburg in Ostpreußen. Der greise Gelehrte war seinem einzigen Schüler in herzlicher Freundschaft verbunden und auch Rhetikus fühlte sich begeistert zu seinem Lehrer hingezogen. Er konnte dem genialen Astronomen einen unschätzbaren Dienst erweisen: Mit der Veröffentlichung der kopernikanischen Erkenntnisse in der Schrift „Narratio prima de libris revolutionum Copernici“ sorgte Rhetikus dafür, dass das heliozentrische Weltbild nicht mehr in Vergessenheit geriet. Die Menschheit erhielt erste genauere Kunde, dass nicht die Erde den Mittelpunkt des Weltalls bildet, um den sich die Sonne und die Gestirne drehen, sondern dass die Erde und die Planeten um die Sonne kreisen. Rhetikus stieß auf nicht erwartete Ablehnung selbst bei Melanchthon und Luther. Nahezu alle Gelehrten neigten dazu, Kopernikus und Rhetikus den Vorwurf eitler Neuerungssucht zu machen. Auch theologisch begründete Bedenken wurden gegen diese Weitsicht erhoben.
Rhetikus ist in seinem Leben viel gereist. Bedenkt man die Verkehrsverhältnisse im 16. Jahrhundert, muss man staunen, wie viele Städte er in Deutschland aufgesucht hat. Gegen Ende 1541 kehrte er von Frauenburg nach Wittenberg zurück, um sich der Mathematik, Chemie und Medizin zu widmen. Im Jahr 1542 folgte er dem Ruf an die Universität Leipzig, im Juni 1542 war er kurze Zeit in Feldkirch, später lehrte er vorübergehend Mathematik in Konstanz. Von dort begab er sich nach Zürich, um sich dem Medizinstudium zu widmen. Ein bewegtes, ausschweifendes Leben brachte eine längere Unterbrechung des Studiums mit sich. In Prag wurde er dann zum Doktor der Heilkunde promoviert. Von 1562 an hielt er sich in Krakau auf, wo er als Arzt und Universalgelehrter von europäischem Ruf tätig war.
Kaiser Maximilian II. und ungarische Magnaten unterstützten den Gelehrten großzügig. So konnte er die Werte aller trigonometrischen Funktionen und für das Intervall in großen Tafeln berechnen. Dazu beschäftigte er bis zu zwölf Arithmetiker als Gehilfen.
Auf einer Besuchsreise starb Rhetikus in Kaschau in der Ostslowakei am 4. Dezember 1574. Er war im Sinn des Humanismus ein universal gebildeter Gelehrter. Er erlangte Bedeutung auf den Gebieten: Astronomie, Mathematik, durch Arbeiten über die Optik und Mineralogie, ärztliche und chemische Tätigkeit, astrologische Arbeiten, eine theologische Schrift zur Verteidigung des heliozentrischen Systems, geographische und historisch-genealogische Studien und durch ein biographisches Werk über Kopernikus. Ob dieser wissenschaftlichen Vielseitigkeit fand Rhetikus in unseren Tagen eine verdiente Würdigung. Im Jahr 1976 wurde in seiner Vaterstadt vor allem für das Vorarlberger Oberland die „Rhetikus-Gesellschaft“ gegründet, die die verschiedensten Bereiche der Wissenschaften durch Publikationen und Vorträge aufarbeiten will.
Norbert Peter, 1984