Am Europatag, dem 9. Mai 2024, fand eine Stadtrallye im Rahmen des Jugendvermittlungsprojekts zum Thema NS-Euthanasie statt. Das Kulturreferat, die OJAH – Offene Jugendarbeit Hohenems und die Bücherei Hohenems erarbeiteten mit dem Historiker Wolfgang Weber einen vermittelnden Rundgang durch Hohenems.
Dieser mahnende Teil des Nationalsozialismus darf nicht vergessen werden und ist dennoch mittlerweile historisch, weshalb es einer starken Verbindung zur Gegenwart bedarf, um Jugendlichen dieses Thema näher zu bringen. Das Ziel war und ist, durch verschiedene Informationsorte das Lernen aus der Geschichte in die Gegenwart zu transformieren und so auch Hoffnung generieren zu können.
„Jugendliche sind nicht das, was sie oftmals scheinen und kommen schon gar nicht rassistisch oder antisemitisch zur Welt. Sie sind geprägt von biografischen Emotionen, Erfahrungen, Erlebnissen sowie äußeren Einflüssen. Hinzu kommt, dass junge Menschen in einer sehr unsicheren Zeit leben und diese wiederum wenig Platz für fundierte Reflektion bietet. Auch die eigene Identität findet oftmals keinen Raum. Umso wichtiger ist es daher in der gegenwärtigen Zeit, junge Menschen kontinuierlich in diesem Thema zu fördern, sodass sie einerseits publizierten Informationen kritischer begegnen und andererseits Demokratie als Form des respektvollen Umgangs und des Zusammenlebens wahrnehmen.
Sich mit der Geschichte proaktiv auseinanderzusetzen, damit in der Gegenwart das eigene Ich als auch das Wir besser verstanden und anders gehandelt werden kann bzw. auch gehandelt wird, ist dabei essenziell für die Entwicklung junger Menschen. Mit diesem Projekt wurden nicht nur Erfahrungen individueller und struktureller Themen der Vergangenheit, sondern auch der Gegenwart aufgegriffen.
Die Rallye machte auf einer interdisziplinären, partizipativen sowie intergenerativen und vor allem auch greifbar emotionalen Ebene geschichtliche als auch unterschiedliche Perspektiven sichtbar. Wir waren unglaublich stolz auf die Teilnehmenden, ihr entgegengebrachtes Interesse und vor allem ihre Empathie, welche sie dem Thema gegenüber aufbrachten.“ – Samantha Bildstein
Jugendliche und herausfordernde Zeit
Verschiedene Hinweise im „Gaming-Charakter“ machten die rund achtstündige Rallye für zwei Gruppen zu einem kurzweiligen Erlebnis: Im Salomon-Sulzer-Saal erzählte Simon Schmitt von seiner eigenen Geschichte als Mensch mit Behinderung und erlaubte so einen Blick, wie Vielfalt in der Gegenwart gelebt wird. Im Gegenzug erzählte der Historiker Wolfgang Weber den Jugendlichen über die Opfer der NS-Euthanasie beim Euthanasiedenkmal und im Garten des Krankenhaus Hohenems beim Arthur-Neudörfer-Denkmal.
„Es hat mich berührt zu sehen, mit welcher Leichtigkeit und mit wie viel Ernst die jungen Erwachsenen sich den Gräueln der NS-Vergangenheit in Hohenems stellten. Sie waren voller Empathie für die Getöteten des NS-Massenmordes an Menschen mit Behinderungen und bereicherten die Patina dieser furchtbaren Vergangenheit um jenen menschlichen Zugang, der das vergangene Leid aus Perspektive der Gegenwart unmittelbar zugänglich macht. Das zeigen etwa die Texte auf den Erinnerungskarten, welche die Jugendlichen beim NS-Euthanasie-Denkmal an der Kaiserin-Elisabeth-Straße im Vorgarten des ehemaligen Armenhauses hinterlegten.“ – Wolfgang Weber
Der Faktor Hoffnung
Drei weitere Stationen, die den Fokus auf Hoffnung legten, standen am Nachmittag am Programm. Die Geschichte von Fluchthelfer Paul Grüninger wurde an der Hörstation bei der Paul-Grüninger-Brücke lebendig. Einen großen Aktualitätsbezug bot die Aufgabe, Gemeinsamkeiten der vier Friedhöfe (Islamischer Friedhof, Jüdischer Friedhof, Friedhöfe St. Anton und St. Karl) herauszufinden. Auf direktem Wege in die Zukunft ging es in der Bücherei Hohenems, wo Elisabeth Fenkart zum Briefe schreiben bat: Die Jugendlichen waren als Botschafter*innen dazu angehalten, der Menschheit im Jahre 2150 von ihrem Leben in der Gegenwart zu erzählen und welche Ereignisse ihr Leben verschönern.
„Die Idee Briefe an die Zukunft zu schreiben, kommt von Walter Benjamins Engel der Geschichte, der heute als Brunnen vor der ehemaligen Engelburg in Hohenems steht. Der Engel ist ein Botschafter, der alle, an die niemand mehr denkt in Erinnerung ruft, alle, die in Vergessenheit geraten sind und die behandelt werden als hätte es sie nie gegeben. Mit dem Schreiben der Briefe haben sich die Jugend-lichen der Verantwortung gestellt, selber Engel der Geschichte zu sein.“ – Tom Sojer
Beschlossen wurde der Abend mit einem gemeinsamen Hock im Jugendhaus s’Kästle, bei welchem nicht nur der Tag reflektiert, sondern auch die fotografischen und schriftlichen Ergebnisse einen Platzan der Wand fanden.
Weiterführendes Projekt
Für den Herbst 2024 ist eine Weiterführung des Projektes angedacht, mit verschiedenen Formaten, um einen selbständigen thematischen Rundgang für Jugendliche und Schulen in Hohenems auszuarbeiten.