Salomon-Sulzer-Saal

Veranstaltungen der Europäischen Sommeruniversität für jüdische Studien

11. Juni bis 15. Juni 2023

  • 11. Juni, 19 Uhr
    Eröffnungsvortrag – Wer hat im Osten den geweckt/dem Gerechtigkeit folgt auf Schritt und Tritt

    Das bekannte Zitat aus dem biblischen Jesajabuch 41,2 wurde von der jüdischen Tradition auf den Erzvater Abraham bezogen, der mit Gottes Hilfe seine Feinde besiegt. Abraham stammt nach biblischer Auskunft aus Ur in Chaldäa. Damit ist wohl die sumerische Hauptstadt gemeint, nach muslimischer Ansicht das alte Edessa, (Şanlı)urfa in Anatolien. Für die jüdische Tradition ist jedenfalls von großer Bedeutung, dass Abraham aus dem Osten stammt. Die Verbindung zum Osten bleibt jedoch nicht nur in Bezug auf Abraham von großer Bedeutung, sie prägt auch das Denken des frühen Judentums entscheidend und ist historisch von großer Bedeutung. Denn nach der Deportation von Teilen der Bevölkerung Judäas nach Babylonien im Zuge der Eroberung unter Nebukadnezzar (587-6 v.a.Z.) entsteht das Judentum de facto im Exil, „an den Strömen von Babylon“ (Ps 137,1). Auf Geheiß des Königs Kyrus von Persien wurde den Juden schließlich 539 v. die Rückkehr erlaubt, doch wissen wir, dass nur ein kleiner Teil dieses Angebot wahrnahm. Von nun an gehört der Osten, Babylonien, zu den wichtigen Siedlungsgebieten und zu den bedeutenden Zentren jüdischer Kultur. Die Bezüge zwischen Israel und Babylonien bleiben historisch und kulturell bedeutsam und zeigen, dass Judentum sich aus der Gola entfaltet, ohne Jerusalem zu vergessen.

    Prof. Dr. Gerhard Langer lehrt Judaistik an der Universität Wien. Zu seinen wissenschaftlichen Schwerpunkten zählen: Jüdische Kulturgeschichte in der Antike, rabbinische Literatur, rezeptionsgeschichtliche Untersuchungen zu biblischen Texten, die Verarbeitung jüdischer Tradition in deutschsprachiger Literatur und jüdisch-christliche „Begegnung“ und Kulturtransfer.

  • 11. Juni, 20 Uhr
    Vortrag – Wandel des jüdischen Orientbildes – Postkoloniale Perspektiven

    Schon ab dem Mittelalter nahmen jüdische Intellektuelle einen besonderen Platz in arabisch-islamischen und europäisch-christlichen Kulturräumen zwischen Ost und West, Islam und Christentum sowie orientalischen und europäischen Sprachen ein. In der Moderne entwickelten sich diese komplexen Beziehungen weiter, und zwar sowohl als zentraler, innerjüdischer Identitätskomplex als auch als Teil des europäischen, christlichen Bildes des Juden als „dem Anderen“. Dies zeigt sich vor allem mit der philologischen, kulturellen und politischen Entwicklung des „Semiten“ als kulturelle und rassen-ethnische Kategorie. Mit ihrer Entstehung ausgehend von Nordafrika und Nahost als Hauptgebiete europäischen Kolonialismus entwickelt sich die jüdische ambivalente Positionierung in den Bereichen der akademischen Forschung (Orientalistik und Judaistik), Philanthropie und Mission, wie auch Geo-Politik. In meinem Vortrag möchte ich die ambivalente Rolle, die jüdische Intellektuelle als hybride Entitäten zwischen europäisch-christlichen und orientalischen Kulturen spielen, durch ihr dramatisches Wandeln betrachten, von Abraham Geigers, über Franz Rosenzweigs Kritik des Islam, bis zu den kulturellen Konflikten in der gegenwärtigen israelischen Gesellschaft.

    Yossef Schwartz lehrt mittelalterliche und frühneuzeitliche Geistesgeschichte an der Tel Aviv University und ist Direktor der School of Philosophy, Linguistics and Science Studies der TAU.

  • 13. Juni, 20 Uhr
    Lesung – Durch Bagdad fließt ein dunkler Strom
    In ihrem Roman „Durch Bagdad fließt ein dunkler Strom“ erzählt Mona Yahia von einer Kindheit und einer Familie während der 1950er- und 1960er-Jahre in Bagdad – im Kontext der Geschichte der letzten Juden im Irak. Israels Sieg im Sechstagekrieg gegen vier arabische Staaten löste 1967 eine Verfolgungswelle gegen die jüdischen Gemeinden in der arabischen Welt aus. Der Text erzählt von den Umständen, den Vorbereitungen und der (gelingenden) Flucht der Familie in den Iran – und thematisiert Fragen der Identität sowie zur Auseinandersetzung mit den Begriffen „Heimat“ und „Muttersprache“ aus der Perspektive eines heranwachsenden Mädchens.

    Mona Yahia ist Künstlerin und Schriftstellerin in Köln. Zu ihren Werken gehören Romane, Erzählungen und Kurzgeschichten, aber auch künstlerische Installationen und Objekte, mit denen sie u.a. die deutsche Erinnerungskultur mit Blick auf die Shoah kommentiert.

  • 14. Juni 20 Uhr
    Filmabend – Forget Baghdad. Jews and Arabs – The Iraqi Connection

    Forget Baghdad. Jews and Arabs – The Iraqi Connection
    Ein Film von Samir, Deutschland/Schweiz 2002, 112 min.

    Jüdische Araber? Arabische Juden? Sephardim? Mizrahim? In seinem Film „Forget Baghdad“ erzählt der Zürcher Filmregisseur und Produzent von einer lang vergessenen Geschichte aus dem Nahen Osten: der Emigration irakischer Juden nach Israel. Seit den 1990er Jahren findet in Israel eine bis heute lebhafte Debatte statt: Intellektuelle Mizrahim, orientalische Juden, kritisieren die Politik der Entfremdung und Instrumentalisierung der arabischen Juden durch die kolonialen Ansprüche der europäisch geprägten Gründergeneration Israels. Baghdad ist bis heute für Sie ein Ort einer verzweifelten Sehnsucht nach einer unmöglich erscheinenden Identität als Juden UND Araber.

    Samir, selbst Kind irakischer Einwanderer in die Schweiz und seit Jahren als Filmemacher, Produzent und Videokünstler mit Entfremdung und Identität befasst, befragt fünf prominente arabische Juden irakischer Herkunft mit Wohnsitz in Israel und New York: Ella Shohat, Filmhistorikerin in NYC, Shimon Ballas, Professor für arabische Literatur und Bürgerrechtler, Sami Michael, Bestseller-Autor, Moshe Houri, Bauunternehmer, und Samir Naqash, preisgekrönter Autor unveröffentlichter arabischer Romane.

  • 15. Juni 20 Uhr
    Vortrag – Jüdischer Islam? DIe Nahda und die Wissenschaft des Judentums: Araber, Juden, und die Kritik

    Ab den 1830er Jahren wurden Juden in Europa zu führenden Gelehrten des Korans und des frühen Islams. Indem sie die Parallelen zwischen dem Koran und den rabbinischen Schriften betonten, entwickelten jüdische Gelehrte eine Bejahung des Islam, die sich erheblich von ihren eher negativen Ansichten über das Christentum unterschied. Ihre Gelehrsamkeit setzte sich, wenn auch mit einigen Veränderungen im Ton, bis in die 1930er Jahre fort und wanderte dann in andere Teile der Welt ab. Es war ein einzigartiger Orientalismus, der bis heute als Begründer der Islamwissenschaft gilt und den Islam als eine Schatzkammer tiefer und hilfreicher Einsichten und als ein Zeichen für die zentrale Bedeutung des Judentums beim Aufbau des Abendlandes ansah. Der Islam, und insbesondere der Koran, wurde zur Vorlage für den Aufbau eines modernen Judentums.

    Zur gleichen Zeit kamen arabische Studenten und Intellektuelle, sowohl Muslime als auch Christen, nach Europa, um wissenschaftliche Methoden zu studieren, die sie in den Nahen Osten mitnehmen konnten. Wie die Juden neigten auch die arabischen Intellektuellen dazu, die Moderne mit Europa zu identifizieren, doch sowohl Juden als auch Araber standen den europäischen Orientalisten und den Verzerrungen und Missverständnissen ihrer Gelehrsamkeit äußerst kritisch gegenüber. Der Vortrag wird sich auf vier Persönlichkeiten konzentrieren: Abraham Geiger (1810-1874), Gustav Weil (1808-1889), Rifa al-Tantawi (1801-1873) und Aḥmad Fāris al-Shidyāq (1805-1887). Ich werde ihr Engagement für die Wissenschaft des Judentums bzw. die Nahda vergleichen und Parallelen zwischen dem jüdischen Anliegen, Bildung zu erwerben, und der arabischen Nahda (Renaissance) ziehen

    Prof. Dr. Susannah Heschel, Eli M. Black Distinguished Professor of Jewish Studies am Dartmouth College in Hanover, New Hampshire.

Eintritt frei!
Keine Reservierung erforderlich

Veranstalter: Jüdisches Museum

Uhrzeit: 14.30 Uhr

Adresse: Salomon-Sulzer-Saal, Schweizer Straße, Hohenems, Österreich

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